Von Kolumbien nach Panama – der harte Weg

28. April 2014 um 11:47 Uhr

PanamaNora BornNachdem wir die unliebsame Erfahrung machen mussten, dass man mit einem Einweg-Flugticket, ohne ein Rück- oder Weiterreiseticket erworben zu haben nicht einfach nach Panama einfliegen kann, fünf Stunden lang im Flughafen von Barranquilla, Kolumbien von Inkompetenz zu Inkompetenz rannten, entscheiden wir uns schliesslich für den langen und wohl auch kostengünstigsten Weg nach Panama. Die Umschiffung der Küste in drei Etappen in kleinen Motorbooten auf offener See. Eines der negativen Erlebnisse unserer Reise.

Capurgana – Paradies im Jungel

Auf dem Landweg gelangt man mit Bussen bis nach Turbo, eine kleine Hafenstadt an der Karibikküste, die an sich nicht viel zu bieten hat und für Reisende ausschließlich als Ausgangspunkt zur Überfahrt nach Panama dient. Nachdem wir eine Nacht dort verbracht hatten, treten wir am nächsten Morgen die erste Bootsfahrt nach Capurgana an, dem vorletzten Ort vor der Grenze zu Panama, indem der Ausreisestempel abzuholen ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens besteigen wir die etwas marode erscheinende Lancha, bestückt mit einem einzigen Motor, der nach ungefähr zehnminütiger Fahrt den Geist aufgibt, sodass wir umkehren und nach erneutem Ausharren die Reise mit einem anderen Boot antreten müssen, nicht gerade vertrauenerweckend.

Die Überfahrt erscheint einem das erste Drittel lang spaßig, sofern man nicht an Seekrankheit leidet, doch nach einer Weile macht sich der Wellengang in der Wirbelsäule bemerkbar, der Schmerz des Aufpralls bei jeder einzelnen Welle zieht hoch bis in den Hinterkopf und nach zweieinhalb Stunden ist man mehr als froh, das Boot am Steg des kleinen Hafen Capurganas verlassen zu dürfen.

Das etwa 1000 Einwohner starke Dorf, vollkommen abgeschnitten vom Rest des Kontinentes ist wahrlich ein Paradies. Über den Landweg so gut wie unmöglich zu erreichen, fährt auf dessen Strassen kein einziges Auto, einige der Bewohner sind mit Fahrrädern oder einfachen Pferdekarren unterwegs, doch ansonsten lässt sich in diesem überschaubaren Örtchen alles in wenigen Minuten zu Fuß erreichen. Traut man sich einige Straßenecken vom Hafen weg, lässt sich hier leicht eine günstige Übernachtungsmöglichkeit finden und es lohnt sich allemal einige Tage in Capurgana, oder dem benachbarten Sapzurro zu verbringen.

Panama Himmel

Bei einer etwa zweistündingen Wanderung durch den Jungle lassen sich ein paar kleine Wasserfälle erreichen, der Camino del Cielo, Weg des Himmels. Der wirkliche Himmel ist es am Ende dann doch nicht, man kann schlimmen, ein wenig klettern, doch wer sich durch die Beschreibung des Lonely Planet hat leiten lassen und ‘richtige’ große Wasserfälle erwartet, mag am Ende vielleicht ein wenig enttäuscht davon sein. Doch der Weg dorthin, der mitten im Urwald des Öfteren ein seichtes Flußbett kreuzt, das es zu durchqueren gilt, ist unglaublich schön und der Ausflug ist auf jeden Fall zu empfehlen.

Sapzurro, das nun wirklich letzte Dorf auf kolumbianischer Seite der Grenze ist mit dem Boot in ein paar Minuten, zu Fuß in etwa einer Stunde zu erreichen. Es ist mit seinen etwa 300 Einwohnern wiederum ruhiger und damit auch noch ein stückweit idyllischer und ein Besuch oder Aufenthalt dort allemal lohnenswert. An den Anblick des unbezwingbaren Urwalds, der nach einem Streifen weißen Sandstrandes direkt in türkisblaues Meer mündet kann man sich nur schwer gewöhnen, viel zu beeindruckend sind die Ausmaße an wilder Natur um mich herum, dass ich nicht darauf achte, wohin ich meine Füsse setze und auffällig oft stolpere.

Von Sapzurro aus lässt sich bei einem etwa 30 minütigen Fußweg der auf panamesischer Seite gelegene Playa la Miel erreichen. Der Strand an sich ist wunderschön, aber nicht wirklich herausragend zum Rest der Umgebung, doch um dort hinzu gelangen muss über eine ewig lang erscheinende Steintreppe die Bergkette überwunden werden, auf deren Kuppe sich eine kleine Grenzstation befindet. Hier teilen sich ein kolumbianischer und ein panamesischer Soldat den Arbeitsplatz mit einem atemberaubenden Ausblick auf Unweiten von Urwald und karibischem Meer unter den im Wind wehenden Fahnen der beiden Länder. Eine Aus- und Einreise ist nicht notwendig, um den Stützpunkt zu passieren, nur ein Ausweis zur Datenaufnahme der Besucher ist mitzunehmen.

Hinüber nach Panama

Nach zweitägigem Aufenthalt und Genießen der Karibikidylle traten wir früh morgens die etwa 45 minütige Überfahrt nach Puerto Obaldia an, dem Grenzort Panamas. Der Ausreisestempel ist in Carpurgana einen Tag vor Abreise abzuholen, was allerdings nur möglich ist, wenn dieses gerade Strom hat. Puerto Obaldia scheint einzig und allein für den Grenzübergang zu existieren, ein Ort ohne Seele, dessen Einwohnern es an Freundlichkeit an allen Ecken fehlt, die auffällig oft nichtstuend auf der Straße herumlungern und alles mit einer unglaublichen Langsamkeit angehen.

Vor der Einreise nach Panama müssen wir vor den mehr oder weniger wachsamen Augen eines wichtigtuerischen Soldaten das gesamte Chaos unserer Rucksäcke ausräumen, ein wenig Dreckwäsche hierhin, ein wenig dorthin gestopft, letztendlich auch ein eher unseptakulärer Arbeitsplatz, für diese Aufmotzung in Uniform und Miene der Wichtigkeit. Danach werden die Gepäckstücke aller Einreisenden, die mit dem Boot angekommen sind in Reih und Glied ausgelegt, ein tollpatschiger junger Hund, dessen Aufmerksamkeit alle paar Sekunden abschweift daran vorbei geführt und weiter geht es in das weniger seriös wirkende Einreisebüro, auf der grössten der etwa fünf Straßen Puerto Obaldias.

Panama

Nach einer halben Ewigkeit hat die Dame der Autorität hinter dem Schreibtisch endlich Zeit für uns, 150 Kilo Freundlichkeit in Person erledigen alle nötigen Formalitäten ohne einen einzigen Blickkontakt zu verschweden, ein Kunststück. Alemania also. Jaja. Kreditkarte? Ebenfalls ja, ob sie sie sehen möge? Nein. Stempel, Unterschrift, fertig. Wie einfach doch alles zu sein scheint, mit einer deutschen Staatsbürgerschaft. Die kubanischen Flüchtlinge dagegen haben es hier ein wenig schwerer. Durch das Abkommen mit Panama versuchen viele ihr Glück von hier aus bis hoch in die Staaten zu gelangen, eine Menge Papierkram und Wartezeit.

Die billigste und auch zu empfehlende Art von dort wegzukommen ist ein Flug nach Panama City, mit einem kleinen etwa zehn Plätze starken Flugzeug, das alle paar Tage von dort abhebt und im Voraus zu buchen ist. Da wir dies nicht taten, müssen wir zwei Tage dort verbringen, bis sich genug Personen finden, um ein Boot für die Überfahrt nach Carti zu füllen.

Als offensichtliche Ausländer werden wir von den anderen panamesischen Passagieren auf eine äußerst unhöfliche Weise in die erste Reihe verbannt, wo der Wellengang am heftigsten zu spüren ist. Sobald wir den Schutz der Küste verlassen, werden die Wellen großer und kräftiger. Wir, zu fünft auf die schmale Holzbank gequetscht haben kaum eine Chance uns zu erheben, um den Stoß auszugleichen, mit dem die Lancha alle paar Sekunden auf das Wasser klatscht. Schon nach wenigen Minuten sind die Schmerzen, die bei jedem Aufprall vom Steißbein bis in den Hinterkopf ziehen kaum noch auszuhalten, nie zuvor in meinem Leben habe ich vor so geschrien wie an diesem Tag.

Panama Dschungel

Als ich mir nach etwa einstündiger Fahrt das Knie anstoße, was ich mir zwei Wochen zuvor bei einem Quad-Unfall in Ecuador demoliert hatte kann ich nicht mehr, Tränen des Schmerzes rinnen mit Salzwasser des Meeres vermischt über mein Gesicht, ein Reisegefährte bittet den Kapitän gegen das Getöse der Welle anschreiend das Boot anzuhalten und ich klettere zitternd in die letzte Reihe, in der sich drei übergewichtige Panamesen breitgemacht haben. Mit meiner schmalen Statur hätte ich auf den Platz, den sie mir widerwillig machten locker doppelt gepasst, warum nicht gleich von Anfang an?

Die abwertenden Blicke der drei, die alle paar Minuten Wasserpäckchen aus ihrer Kühlbox holen, um sich damit die Augen auszuspülen stören mich kaum, dafür bin ich viel zu aufgelöst. Die Fahrt geht weiter und hier hinten ist der Wellengang mehr als auszuhalten, jedoch brauche ich noch einige Zeit, bis ich mich beruhigt habe. Auch meine Freundin hält es kurze Zeit später nicht mehr vorne aus und ergattert einen Platz neben dem Kapitän, ein Stück weiter hinter mir. Einen kompletten Sitzplatzwechsel um unsere drei Reisegefährten in der ersten Reihe zu erlösen lassen die Panamesen jedoch nicht zu. Bei aller Abneigung dem Sexismus gegenüber bin ich in diesem Moment doch mehr als froh, dass mir in diesem Land als Mädchen eine andere Umgangsform entgegen kommt. Für die Schönheit der San Blas Inseln, die an uns vorbeizieht habe ich kaum ein Auge, viel zu wütend macht mich die Art, mit der die anderen Passagiere uns behandeln, vor allem, diejenigen die uns zuvor ausgelacht hatten, als sie unsere Schreie hörten, schüren meine Aggressionen mit ihrer spöttischen Art fortfahrend.

Panama Frauen

Da wir die knapp sechstündige Fahrt um einiges zu spät angetreten hatten, wird es dunkel bevor wir unser Ziel erreichen und wir müssen auf Nargana, eine der grössten Inseln San Blas’ Halt machen, um dort die Nacht zu verbringen. Vollkommen ausgelaugt, kaum fähig die großen Plastiksäcke zu transportieren, in die wir unsere Rucksäcke gestopft hatten, machen wir uns unter halb interessierten, halb abschätzigen Blicken der Einheimischen auf den Weg eine Schlafgelegenheit zu finden. Wir enden im Haus einer etwas verhaltenen, aber freundlichen panamesischen Familie, die uns für ein paar Dollar ihre Betten überlässt und sich auf der Couch einquartiert.

Mehr als wir hätten erwarten können. Um fünf Uhr des darauffolgenden Morgen, als wir aufstehen wollen um die Weiterfahrt nach Carti anzutreten, entscheiden unsere an allen möglichen und unmöglichen Stellen schmerzenden Körper, dass wir uns eine weitere Nacht zum Erholen auf der Insel aufhalten, einer unserer kolumbianischen Reisegefährten hat ein festgesetztes Ankunftsdatum in Panama City und verlässt uns, wir schlafen weiter und verbringen den darauffolgenden Tag mehr oder weniger nichtstuend auf Narganá, eine der einzigen der 365 Inseln, die keinen Sandstrand hat, da sie komplett bebaut ist. Am nächsten Tag brechen wir noch im Dunkeln zum letzten Teil der Überfahrt auf, die etwa anderthalb stündige Tour verbringen wir schweigend zusammegekauert unter einer riesigen Plastikplane, kommen jedoch trotzdessen vollkommen durchnässt in Carti an, wo wir einige Zeit warten müssen um die dreistündige Fahrt in einem rustikalen Jeep nach Panama City anzutreten.

Im Nachhinein betrachtet gehört diese mehrtägige Überfahrt definitiv zu den unliebsamen Ereignissen unserer Reise, doch es resultierten auch Bekanntschaften und Freundschaften daraus, die ich auf keinen Fall missen möchte und die sich vielleicht auch der Umstände wegen fester zusammen schweißten. Auf jeden Fall bin ich froh, das nicht alleine durchgestanden zu haben.

Quelle: Reisebericht & Fotos – Nora Caterin Born

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