Zum Spiegelbild des Mount McKinley [von Robert]
Von Calgary aus fahre ich in meinem gemieteten Wohnmobil seit nunmehr drei Stunden den Berggipfeln der Rockys entgegen und mache unweit der kleinen Stadt Golden auf einem Parkplatz halt. Der Kicking Horse River rauscht zu meinen Füßen vorbei und erzählt gluckernd und sprudelnd von der einsamen Schönheit des höchsten amerikanischen Gebirges, dass sich imposant vor meinen Augen auftürmt, den Rocky Mountains.
Grizzlys, Dawson und der Yukon
Die Weite des nordamerikanischen Kontinents wirkt betörend und beängstigend zugleich. Je länger ich den breiten und gut ausgebauten Highways gen Norden folgen, desto mehr fühle ich mich, als würde die Natur mich in ein Versteck locken wollen. Kaum Menschen, viele Bären und Elche und Landschaften von so unglaublich herbem Liebreiz lassen mich in das Klischee alter Cowboy-Filme eintauchen. Die Fahrt gerät zu einem beinahe meditativen Erlebnis, aus dem nur die hin und wieder auftauchenden, winzigen Siedlungen erwachen lassen. Mit Dawson City erreiche ich die zweitgrößte Stadt der kanadischen Provinz Yukon und werde das Bild des Asphaltcowboys erneut nicht mehr los. Als wäre gerade der Goldrausch ausgebrochen, überfordern mich die plötzlichen vielen Menschen, die sich in den Saloons verlustieren und bei den Stunt-Shows den Schauspielern zusehen. Dawson suggeriert Touristen eine Zeitreise und wirkt doch so urig und authentisch und der breit und behäbig strömende Yukon tut sein Übriges, um in mir den „Wilden Westen“ heraufzubeschwören.
Alaska und der „Hohe“
Aus Dawson folge ich den sandigen Pisten des Klondike-Highways und werde erneut von der Einsamkeit Kanadas umarmt. Der Grenzübertritt nach Alaska vollzieht sich ohne Passformalitäten und besteht aus einer einstündigen Unterhaltung mit dem Wachhabenden. Ich müsse unbedingt den höchsten Berg der Rockys sehen, denn es gäbe nichts Schöneres, als den Mount McKinley betrachten zu dürfen. Unweit der Stadt Fairbanks überquere ich den Tanana River und bin gespannt, ob sein Tipp wirklich all jene malerischen Naturerlebnisse, die ich bisher genießen durfte, in den Schatten stellt. Tage später sitze ich im Schneidersitz am Ufer des Wonder Lake. Die Wolken der letzten Tage haben sich verzogen und die Silhouette des 6194 Meter hohen Kolosses, den die einheimischen Indianer schlicht den „Hohen“ nannten, spiegelt sich im See. Faszination und ungläubiges Staunen lassen mich dem Grenzer recht geben: Der McKinley ist nicht der höchste Berg der Welt, aber subjektiv der schönste.
Natur macht süchtig
So eintönig die tagelangen Fahrten für Menschen, die noch nie amerikanischen Boden betreten haben, auch scheinen mögen, wer einmal die Wildnis Kanadas und Alaskas gesehen hat weiß, dass die Sehenswürdigkeiten dieser Natur dichter liegen, als Ausflugsziele in Rom oder Paris (Reiseberichte aus Italien und Frankreich). Hinter jedem Baum, an jedem Bach- oder Flusslauf erwarteten mich einzigartige Impressionen und jede Erhebung markiert einen sprichwörtlichen Höhepunkt meiner Reise in die Rocky Mountains.
Bildquelle: © cvmcgarry – Fotolia.com
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